Über mich

»Gehe du voran«, sagte die Seele zum Körper, »auf mich hört er nicht. Vielleicht hört er auf dich.«
»Ich werde krank werden, dann wird er Zeit für dich haben«,
sagte der Körper zur Seele.


Die ganze Bedeutung dieses Zitats habe ich erst am eigenen Leib erfahren müssen, um es nicht nur zu verstehen, sondern auch mein Leben danach ausrichten zu können. Mit Hilfe der Achtsamkeit, so habe ich gelernt, kann erst der Körper wieder zu einem Gefäß werden, in dem sich Seele und Geist gesund entfalten können. Tatsächlich ist es nicht neu, dass Gesundheit der Zustand der guten Balance zwischen diesen dreien ist.

Ich wurde 1968 als älterer Sohn geboren, habe in der Herkunftsfamilie die Kriegstraumatisierung der Eltern miterlebt, den damit einhergehenden Anpassungsdruck und das Leistungsdenken. Ich absolvierte das Studium der Architektur in Hamburg und London, um dann ein eigenes Architekturbüro in Hamburg zu gründen.

In der Architektur war es mir wichtig Räume zu entwickeln, die gleichermaßen Bewegung und Ruhe ermöglichen und ein Höchstmaß an Freiheit der individuellen Nutzung erlauben. Was sich zunächst wie ein Paradox anhört, beinhaltet für mich die Herausforderung, die das Leben ständig an uns stellt: Begrenzt und trotzdem offen sein, vielmehr: in dem Wissen um die eigene Begrenzung offen zu sein. So stelle ich mir Freiheit vor.

In meinem Berufsalltag habe ich alle Facetten von Stress kennengelernt und bin mit einer Vielzahl von Situationen vertraut, in denen er auftauchen kann – vom Einschalten des Computers zu Beginn des Arbeitstages bis hinein in die schaflose Nacht, die die Frage aufkommen lässt, wann ist eigentlich der Arbeitstag zu Ende oder ein Problem gelöst? Mein Körper gab mir aus heutiger Sicht eindeutige Signale, die ich jedoch um der laufenden Projekte willen und der Verantwortung gegenüber dem Büro über Jahre einfach missachtet habe. Ich konnte sie entweder nicht verstehen oder überhaupt nicht wahrnehmen, da mir das Bewusstsein und die Instrumente für die Beobachtung meiner seelischen und körperlichen Phänomene schlicht fehlten. Chronische Schmerzen und Erschöpfung waren die konsequente Folge meiner Selbstausbeutung.

Mein Beobachtungsvermögen begann sich erst zu ändern als ich, angeregt durch einen guten Rat, im Jahr 2008 im Franziskanerkloster in Dietfurt/Altmühltal mit der Zen-Meditation begann, eine Praxis die ich bis heute fortführe. Ich verbrachte dort eine Woche im Schweigen mit gefühlt ewig andauernden Sitzmeditationen, in denen ich über Stunden von eins bis zehn zählte. Trotz der Schmerzen im Rücken und den Knien besuche ich fortan regelmäßig mehrtägige Schweige-Retreats. Inzwischen haben die Schmerzen nachgelassen; aber mehr noch: der Geist ist zuweilen ruhiger geworden. Er treibt die Seele und den Körper nicht mehr so vor sich her, er lässt mich weniger glauben machen, ich müsse so oder so sein oder dies oder das erreichen. Die Identifikation mit all den Gedanken, die dieser unruhige Geist unentwegt hervorbringt, hat etwas nachgelassen. Meine Erfahrung der Tage im Schweigen ist, dass die Stille etwas hervorbringt, was vorher nicht sichtbar war. Ich muss dabei an Saint-Exupéry denken: »Denn der Raum des Geistes, dort wo er seine Flügel öffnen kann, das ist die Stille.«

Dieses Wesentliche ist für mich das So-Sein, das Wahrnehmen dessen, was von Moment zu Moment ist, was sich ständig verändert und doch immer gleich bleibt. Und dessen radikale Akzeptanz in einer durchlässigen und freundlichen Haltung. Meine Meditationserfahrung hat es mir ermöglicht, innezuhalten, meinen Geist manchmal lenken zu können und meinem Leben eine andere Richtung zu geben. Als 2018 ein massiver Schicksalsschlag die Familienstruktur zerrüttete, habe ich meinen Job im Büro gekündigt und eine Ausbildung zum MBSR-Lehrer sowie eine pädagogische Fortbildung begonnen.

MBSR hat mich dabei unterstützt, immer wieder von neuem die achtsame Haltung einzunehmen, nicht nur auf dem Sitzkissen, sondern auch im Alltag. Das macht es für mich so besonders: Durch die Übungen kann die Achtsamkeit in viele Bereiche des Alltags einsinken und dadurch Räume öffnen, die nicht sichtbar waren. Sie zeigen sich erst, wenn man einen Moment innehält und nicht den willkürlichen und antrainierten Impulsen folgt. Gewohnheiten sowie Verhaltens- und Bewertungsmuster werden durch die Übungen wahrnehmbar und können jetzt hinterfragt und durch heilsameres Verhalten ersetzt werden.

Als ich an einem Ausbildungswochenende im Frühjahr 2022 in der langen Sitzmeditation versenkt war, standen die Fenster offen. Geräusche drangen von draußen an mein Ohr. Es ist so leicht, sich den Geräuschen hinzugeben und die die Gedanken abschweifen zu lassen. Da hörte ich etwas Unbekanntes. Obwohl in Mecklenburg-Vorpommern, glaubte ich in den Tropen zu sein. Meine innere Stimme mahnte: »Nicht anhaften, nicht nachdenken über die Laute, deren Herkunft, keine Namen geben.« Und dann wieder: didelöh, didelöh – der Dreiklang eines Vogelrufs. Und noch heute erinnert mich dieser Ruf daran, wach zu sein, im Augenblick bleiben und loszulassen. Der Pirol hat mich begrüßt.

Etwas von der Qualität dieses Erlebnisses möchte ich in meinen Kursen vermitteln.